Unterschied Hinduismus - Buddhismus
Die buddhistische "Kultur" als ein geistig orientierendes Werte- und Praxissystem beruht auf einem spezifischen Verständnis dieser altindischen Grundlehren: "Reinkarnation" oder Kreislauf der Wiedergeburten "Samsâra", Gesetz von Ursache und Wirkung "Karma" (Wirken, Sichauswirken), menschliche Größe "Arierschaft", zeitlose Ordnung "Dharma" und befreiende Schau der "Höchsten Wahrheit" . Sie stehen im Zentrum der beiden, aufgrund ihres gemeinsamen kulturellen Entstehungsraumes verwandten "indischen" Weltreligionen Hinduismus und Buddhismus.
Der wesentliche Unterschied liegt in der buddhistischen anatman-Lehre (http://www.rpi-virtuell.net/modul/relilex/artikel.ph...).
Der Budhismus ist überhaupt nicht auf Götter (devas) bezogen - sie spielen in der Mythologie und der Kosmologie noch eine gewiss e Rolle, ansonsten gelten sie bestenfalls als besonders langlebige aber nichtsdestotrotz vergängliche Wesen die darüber hinau s im Heilsprozess überhaupt keine Rolle spielen. Die Existenz eines überzeitlichen / ewigen Schöpfergottes (ishvara) bestreite t der Buddhismus. Der Sangha - die buddhistische Praxisgemeinschaft - stellte sich ausdrücklich außerhalb der Kastengesellschaft, mit Eintritt in den Sangha durch die dreifache Zufluchtnahme verlor eine frühere Kastenzugehörigkeit ihre Bedeutung.
Aus der anatman-Lehre folgt natürlich, dass es keinen dauerhaft über eine individuelle Lebensspanne hinaus existierenden Träge r von karma gibt, der reinkarniert werden könnte. Mithin ist das buddhistische Verständnis von karma und Reinkarnation (im buddhistischen Kontext ein schlicht verfehlter Ausdruck) auch ein anderes als im Hinduismus und erst recht ein anderes als bei westlichen Esoterikern.
Größe bzw. Reinheit bestehe alleine in der inneren Verwirklichung des Befreiungsweges.
Buddhas Umdeutung der brahmanischen Hauptlehren
1) Reinkarnation versus Wiedergeburt: Aus brahmanischer Sicht verläuft der spirituelle Aufstieg über die Leiter der "Reinkarnationen" einer gleich bleibenden "Seele" oder eines "Selbst", das sich durch die Erfüllung der ihm per Geburt zugewiesenen (und von den Brahmanen bestimmten) Kastenpflichten hocharbeiten müsse. Im Buddhismus zählt alleine die Verwirklichung des spirituellen "Pfades" (Magga) mit Ethischer Motivation, Geistiger Sammlung oder Intuitivem Wissen in diesem Leben, deren Quelle eine im Alltag wachsende "Treffliche Achtsamkeit" und in systematisch eingeübter Form "Meditation" (Bhâvana) ist. Um diesen Zweck (des Lebens) zu verwirklichen, müsse man nicht erst in einen bestimmten Stand oder mit einem bestimmten Geschlecht geboren sein. "Wiedergeburt" (Punabbhava) meint hier primär den leid- und angstvollen Prozess der geistigen Verstrickung in die Welt, aus "verfehlter" Identifikation mit den stetig wegfließenden, letztlich ungreifbaren Phänomenen als ein "Selbst" bzw. "Mein". "Altern" meint hier primär das Dahinschwinden, und "Tod" den Abbruch all dessen, was man begehrt oder ergreift. Die nachtodliche Wiedergeburt ist die gesetzmäßige, rein prozesshafte bzw. "Selbst"-lose Fortführung dieser lebensimmanenten "Zyklen", wobei das dominante Bewusstsein im Leben den "Daseinsbereich" (Gati) danach bestimmt.
2) Karma: Aus brahmanischer Sicht entsteht "gutes oder schlechtes Karma" aus der Erfüllung oder Missachtung der unterschiedlichen Kastenpflichten. Im Buddhismus ist "Karma" (Wirken, Sichauswirken) das innere Gesetz von Ursache und Wirkung beim Verursacher als einem absichtsvoll Handelnden, welches in den Daseinskreislauf "Samsâra" verstrickt. Hier bemisst sich die Qualität des Karma alleine an der ethischen oder unethischen Qualität der wahren "Absicht" (Cetana) hinter dem Tun. So umfasst Karma den subtilen Zusammenhang zwischen der Handlungsqualität (als der Absicht) und deren kurz- oder langfristigen (Rück-)Wirkungen. Der Buddha lehrt: "Die Absicht nenne ich Karma. Denn wo Absicht wirkt, übt man Tat in Werk, Wort oder Gedanke". Der Maßstab für eine "heilsame" (kusala) oder "unheilsame" (akusala) Absicht ist, ob sie bei anderen und damit letztlich einem selbst Glück oder Leid schafft. Die verabsolutierenden Kategorien "gut" oder "böse" sind hier nicht üblich, sondern Relationsbegriffe wie "heilsam" und "unheilsam".
"Karma" ist eine Lehre der "Konventionellen Realität" für die Gesellschaft, die im vorbereitenden Sinne auch heilsentscheidend ist. Trotzdem geht es paradoxerweise letztlich darum, mit der Schau der "Selbst"-losen bzw. "Höchsten Realität" die Bindung durch alle Karmakräfte aufzulösen, die im Glauben an ein getrenntes "Selbst" oder dem damit verbundenen, fixierenden "Dürsten und Ergreifen" gründen. Diese Blickrichtung des Buddhismus ist besonders im Zen betont worden.
3) Arier/schaft: Aus brahmanischer Sicht sind die Angehörigen der drei höheren Klassen "Arier" oder "Edle", hier somit ein Zustand, der mit der Geburt als lebens-lang festgeschrieben gilt. Der Erwachte hat den Begriff "Arier" neu gefüllt. Bei ihm umfasst er lediglich die spirituell Verwirklichten, die auf dem inneren Befreiungs-weg durch die Auflösung bestimmter "Fesseln" (Samyojana) den "Stromeintritt" als den gewissen "point of no return" verwirklicht haben. Ab diesem Punkt sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die ewig stille Mitte der gewöhnlich im "Nichtsehen, Durst und Ergreifen" rotierenden Geistestrommel im "Nirvâna" (wörtlich das "Ver-löschen" aller inneren Leidursachen) eintreten werde. Folglich hat es in der Urgemeinde des Buddha viele ehemalige Niedrigkastige und Kastenlose, Laien und Frauen gegeben, die als Arier galten. Der Erwachte verwendet als anderen Ausdruck für "Arier" auch "Wahrer Mensch" (Sappurisa); der also das verwirklicht, was den Menschen im Herzen ausmacht, was ihn überhaupt erst zum "Mensch(lich)en" macht. In dieser Grundsicht gilt der Mensch als potentiell erwacht.
4) Dharma: Aus Sicht der Brahmanen bedeutet "Dharma" traditionell primär jene unterschiedlichen Kastenpflichten, die sie in den umfangreichen Dharma-Shâstras und Dharma-Sûtras ausformuliert haben. Im Buddhismus umfasst "Dharma" (wörtlich "Das, was trägt, hält oder heilt") das kulturübergreifende bzw. "Zeitlose, Universelle Gesetz" der Befreiung im Herzgeist. In diesem Sinne ist Dharma die innere "Pflicht" oder Ordnung, der ein Mensch nachkommen müsse, um zu einem "Wahren Menschen" (Sappurisa) heranzureifen. Ausgehend von dieser Grundbedeutung als innerer "Pflicht" versteht Ajahn Buddhadâsa, ein berühmter thailändischer Vater der frühbuddhistischen Achtsamkeitspraxis "Vipassanâ" (Höheres Sehen, Intuitives Verstehen) und des "Engagierten Buddhismus", den Dharma vierfach; nämlich als 1) "Natur", 2) "Natürliche Wahrheit" bzw. "Gesetz der Natur", 3) die dementsprechende "Menschliche Pflicht", sowie die 4) "Frucht der Erfüllung dieser Pflicht". Sie ist die wachsende Befreiung im Herzgeist mit dem Körper. Jeder dieser vier Bereiche gilt hier als "Dharma" bzw. "Das, was trägt, hält oder heilt".
5) Befreiende Schau: Der wichtigste Unterschied zwischen den Brahmanen und dem Buddha liegt in der Sicht vom Höchsten. Das Wahre Selbst "Âtman", das eins mit der Weltseele "Brahman" sei, ist die "Absolute Wahrheit" in der Religion der Brahmanen. Die "Drei Merkmale" (Tilakkhanâ): "Alles fließt, trägt nicht wirklich, im allbezogenen Nicht-Selbst", sind die "Höchste Wahrheit" in der Befreiungslehre des Erwachten. Sie gelten als die "(wahre) Natur der Dinge", die bloß in der konkreten Welterfahrung mit Trefflicher Achtsamkeit "sichtbar" wird.
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